Junges Mädchen im Rollstuhl arbeitet an einer Werkbank
Fachpraktiker-Ausbildung: Integration statt Ausgrenzung

Inklusive Berufsausbildung

Vielen Betrieben ermöglicht eine inklusive Berufsausbildung neue Entwicklungschancen. Dies ist mit weniger Aufwand verbunden, als oft angenommen wird. Eine Alternative zur regulären Berufsausbildung ist die sogenannte Fachpraktiker-Ausbildung, die theoriereduziert durchgeführt wird. Sie ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG) in § 66 und im Gesetz der Handwerksordnung (HWO) in § 42r geregelt.  

Die Voraussetzung für eine Fachpraktiker-Ausbildung gilt als erfüllt, wenn eine Behinderung, ein besonderer Förderbedarf sowie eine soziale Benachteiligung vorliegen. Die Fachpraktiker-Ausbildung wird über die Agentur für Arbeit beantragt und kann nur dann ermöglicht werden, wenn das betriebliche Ausbildungspersonal über eine „Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation“ (ReZA) verfügt und die betriebliche Ausstattung behindertengerecht gestaltet ist. Wenn der Betrieb selbst kein Ausbildungspersonal mit einer ReZA-Qualifizierung beschäftigt, gibt es alternative Lösungen, z. B. über eine begleitende betriebliche Ausbildung (bbA), eine von der Agentur für Arbeit geförderte Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation nach § 117 SGB III, die einen Betrieb und einen Auszubilden-den während der gesamten Ausbildungszeit unterstützt.

Menschen mit Behinderung können aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung oft keine reguläre Berufsausbildung beginnen. Es bestehen jedoch Möglichkeiten, mit Unterstützungsmaßnahmen eine Berufsausbildung zu absolvieren.

FAQ Fachpraktiker-Ausbildung: 

Für Menschen, die wegen der Art und Schwere der Behinderung keine reguläre Ausbildung absolvieren können, bietet sich eine theoriereduzierte Fachpraktiker-Ausbildung an. Die Fachpraktiker-Ausbildung orientiert sich an den Ausbildungsinhalten anerkannter Ausbildungsberufe.

Zurzeit liegen der Handwerkskammer Dortmund folgende Ausbildungsverordnungen vor:

In den meisten Fällen finden die Fachpraktiker-Ausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen statt. Eine betriebliche Ausbildung kann unter bestimmten Voraussetzungen durch die Agentur für Arbeit gefördert werden. Bei weiteren Fragen hilft Ihnen die Ausbildungsberatung gerne weiter.

Förderleistungen und technische Arbeitshilfen sind dabei entscheidend, damit die Ausbildung von gesundheitlich beeinträchtigten Menschen erfolgreich durchgeführt werden kann. Die EAA-Beratung berät und unterstützt Betriebe und bietet offene Sprechstunden an.

Hinweis: Förderleistungen sind vor Vertragsunterzeichnung zu beantragen!

  1. Wird ein Ausbildungsplatz bereitgestellt, muss für den vorgesehenen Beruf bei der zuständigen Kammer vor Vertragsabschluss geprüft werden, ob eine Ausbildungsordnung dafür vorliegt. Andernfalls ist vom Berufsbildungsausschuss eine Zustimmung einzuholen.
  2. Ist die Durchführung einer Fachpraktiker-Ausbildung möglich, muss die Agentur für Arbeit dem Ausbildungsverhältnis zustimmen. In der Regel wird die Fachpraktiker-Ausbildung gefördert.
  3. Das betriebliche Ausbildungspersonal muss eine „Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation“ (ReZA) bei der zuständigen Handwerkskammer nachweisen. Mit Kooperation einer geeigneten Ausbildungseinrichtung bzw. Maßnahme oder mit behindertenspezifisch geschultem Personal kann eine ReZA-Qualifikation für den Betrieb entfallen. Eine geeignete Maßnahme stellt u. a. die „begleitende betriebliche Ausbildung“ (bbA) zur beruflichen Rehabilitation nach § 117 SGB III dar.

 

Betriebe, die Jugendliche mit Behinderung ausbilden, können finanzielle Unterstützung von der Agentur für Arbeit erhalten. In der Regel liegt der Zuschuss bei 60 % der regulären Ausbildungsvergütung. Sofern längerfristig ein Ausbildungsplatz für Menschen mit Schwerbehinderung eingerichtet wird, können weitere Zuschüsse über das Integrationsamt beantragt werden. Weitere Zuschüsse können auch für den behindertengerechten Umbau beantragt werden. Nähere Auskünfte können Sie bei der EAA-Beratung erhalten.

Des Weiteren haben Betriebe den unmittelbaren Vorteil, dass sich die Ausgleichsabgabe verringert.  Stellt der Betrieb einen Auszubildenden mit Schwerbehinderung ein und hat im Jahresdurchschnitt mindestens 20 Arbeitsplätze, wird dies bei der Berechnung der Ausgleichsabgabe bei Einstellung berücksichtigt. Deshalb sollten Betriebe es bei der Agentur für Arbeit melden.

Hinweis: Finanzielle Förderanträge sollten vor Ausbildungsbeginn beantragt werden!

>> Eine Schwerbehinderung liegt dann vor, wenn der Grad der Behinderung (GdB) bei mindestens 50 liegt. Jugendliche mit einem geringeren Grad als 50 können durch die Arbeitsagentur formal Schwerbehinderten gleichgestellt werden. Das passiert jedoch nur dann, wenn dem Jugendlichen durch seine Behinderung Wettbewerbsnachteile auf dem Arbeitsmarkt entstehen (…). << Handlungsempfehlung, Ausbildung von Menschen mit Behinderung, KOFA, 2023

Die rehabilitationspädagogische Zusatzqualifizierung (REZA) müssen Ausbilder/Ausbilderinnen in Betrieben und Maßnahmen zur berufliche Rehabilitation nachweisen, wenn sie eine Fachpraktiker-Ausbildung nach BBiG oder HWO anleiten. Diese Ausbildung besteht aus acht Modulen und hat einem Zeitumfang von 320 Unterrichtsstunden. Weiterbildungen, die inhaltlich gleichwertig sind, können angerechnet werden. Zahlreiche Anbieter von ReZA bieten auch hybride Unterrichtsformen an.

Hinweis: Mit Einreichung des Berufsausbildungsvertrages bei der Handwerkskammer Dortmund ist auch der Nachweis über die ReZA einzureichen! Dies gilt sowohl für Ausbildungsbetriebe als auch für Ausbildungseinrichtungen.

 

Der Übergang während einer Fachpraktiker-Ausbildung in einen anerkannten Ausbildungsberuf ist möglich, aber selten. Nach Abschluss der Ausbildung nach § 66 BBiG/§ 42r HwO ist der Übergang in eine Vollausbildung ebenfalls möglich. Auch umgekehrt können Auszubildende von einer Vollausbildung in eine Fachpraktiker-Ausbildung übergehen.

Auszubildende mit Schwerbehinderung haben einen besonderen Kündigungsschutz (§§ 85 ff.SGB IX). Nach der Einstellung tritt dieser nach 6 Monaten in Kraft und ist unabhängig von der Anzahl der Mitarbeitenden im Betrieb. In der Regel ist die Kündigung nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes wirksam; dies gilt auch für eine außerordentliche Kündigung. Bezieht sich die Kündigung nicht auf die anerkannte Behinderung, stimmt das Integrationsamt zu. Ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag sowie die Kündigung seitens des Auszubildenden sind davon ausgeschlossen. 

Auszubildende mit Schwerbehinderung erhalten pro Jahr zusätzlichen Sonderurlaub (bei einem GdB von mind. 50 besteht Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubswoche, d. h. bei einer 6-Tage-Woche = 6 Urlaubstage, bei einer 5-Tage-Woche = 5 Urlaubstage). Einen Anspruch auf Zusatzurlaub entfällt bei einer Gleichstellung (gem. §88 Abs. 3 SGB IX)

Das Ausbildungsverhältnis beginnt zwingend mit einer Probezeit, die mindestens 1 Monat und höchstens 4 Monate betragen darf (§ 20 Berufsbildungsgesetz). Die Vertragspartner sollten sich während der Probezeit darüber klar werden, ob das Ziel der Berufsausbildung erreicht werden kann und die hierfür erforderliche berufliche Eignung vorliegt.

Zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Ausbildungsbetrieben und Lehrlingen haben die Handwerksinnungen Ausschüsse zur Schlichtung eingerichtet:

  • Der Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt haben muss, sowie jeweils einem Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. Er ist für Streitigkeiten aus einem bestehenden Ausbildungsverhältnis, z.B. für Vergütungs- und Urlaubsansprüche, die Wirksamkeit einer Kündigung oder die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsvertrages zuständig.
  • Bevor eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben wird, muss die Angelegenheit daher zwingend vor dem Ausschuss für Lehrlingsstreitigkeiten verhandelt werden, sofern ein Ausschuss bei der zuständigen Innung vorhanden ist. Dies gilt auch für Nichtinnungsmitglieder.
  • Der Ausschuss kann sowohl vom Ausbildenden als auch vom Auszubildenden schriftlich angerufen werden. Dies sollte unverzüglich nach Zugang der Klage geschehen. Die Parteien können, müssen aber nicht von einem Anwalt vertreten werden.
  • Die Verfahren vor dem Ausschuss werden durch Vergleiche oder durch Schiedssprüche abgeschlossen, aus denen auch zwangsvollstreckt werden kann.

Überstunden sind alle Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarte oder tariflich festgelegte tägliche Dauer der Ausbildungszeit hinausgehen. Eine Verpflichtung zur Leistung von Überstunden besteht grundsätzlich nur dann, wenn dies einzelvertraglich, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.

Überstunden sind besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen.

Nicht alle Betriebe, die junge Menschen ausbilden und auf die eigene Nachwuchssicherung setzen, können die Vorgaben, die die jeweilige Ausbildungsordnung vorschreibt, allein erfüllen. Dem einen Betrieb fehlen die notwendige Erfahrung oder Fachkräfte, ein anderer kann nicht sämtliche für die Ausbildung erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse in vollem Umfang vermitteln. Bei anderen Betrieben besteht zwar die grundsätzliche Bereitschaft zur Ausbildung, sie wird jedoch wegen der damit verbundenen Zeitbelastung nicht durchgeführt.

In all diesen Fällen bietet sich die Möglichkeit, die Ausbildung im Verbund mit anderen Betrieben gemeinsam durchzuführen (§ 22 Abs. 2 Handwerksordnung).

Weiterführende Informationen - Allgemeine Informationen

Ihre Ansprechpartner*innen

Bei Fragen und Unterstützungsbedarf stehen den Betrieben die HWK-Ausbildungsberatung sowie die EAA-Beratung gerne zur Seite, mit dem Ziel, individuelle Lösungswege für eine erfolgreiche Inklusion und für die Durchführung der Berufsausbildung zu finden.