Schifferklaviere, Schweineorgeln, Ziehharmonikas. Das sind nur einige umgangssprachliche Bezeichnungen für Akkordeons, die eigentlich Handzuginstrumente genannt werden. Jörg Hoppe, Handzuginstrumentenmachermeister aus Warstein in Südwestfalen baut, repariert, restauriert und stimmt die Instrumente mit viel Herzblut. 1999 hat er seine Werkstatt für Akkordeons eröffnet und gehört mittlerweile zu den Wenigen in Deutschland mit einem solch‘ breiten Sortiment an Akkordeons, Harmonikas, Concertinas, Melodicas und Mundharmonikas. „Mit diesen speziellen Instrumenten bewege ich mich in einem absoluten Nischenbereich“, so Hoppe. „Aber, wir reparieren alles und haben viele Kunden in einem sehr großen Einzugsgebiet.“
Seit seinem neunten Lebensjahr spielt Hoppe Akkordeon. Zunächst machte er eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker. Seine große Leidenschaft, das Akkordeon-Spielen und dann auch das Reparieren, bewegte ihn dazu, eine zweite Ausbildung zu absolvieren. Im Schwarzwald schloss er eine Lehre zum Handzuginstrumentenmacher an. „Dadurch konnte ich mein Hobby zum Beruf machen“. Seit 2003 führt er als Meister seine Werkstatt in Warstein, seit sieben Jahren bildet er zudem aus. In 2009 erfolgte seine Bestellung zum Sachverständigen im Handzuginstrumentenmacher-Handwerk durch die Handwerkskammer Dortmund. In dieser Rolle erstellt er in erster Linie Versicherungsgutachten, beispielsweise bei Wasserschäden, oder Gerichtsgutachten im Zuge eines Beweisverfahrens.
Ein Akkordeon, so erzählt er, setzt sich aus mehr als 2.000 Teilen zusammen. „Je größer das Instrument, desto mehr Teile müssen wir verbauen. Einige werden mittlerweile maschinell gefertigt, die meisten Komponenten bauen wir aber per Hand zusammen.“ Zu den handwerklichen Tätigkeiten eines Handzuginstrumentenmachers gehören unter anderem Fräsen, Schneiden, Kleben, Schleifen oder Polieren. Die Ziehharmonika besteht aus vielen unterschiedlichen Materialien: Pappe, Kunststoff, Leder, Holz und Metall. Damit daraus ein wohlklingendes Instrument wird, braucht es handwerkliches Geschick, erklärt der 47-Jährige. Im Moment sucht er händeringend nach einem/einer Auszubildenden. „In den letzten fünf Jahren hat sich die Ausbildungssituation drastisch geändert. Früher hatte ich etwa 20 Bewerber pro Jahr, heute nicht mal einen. Ich habe eine Menge versucht, sogar einen Aufruf über Social Media, aber niemanden gefunden.“ Seiner Meinung nach, lernen immer weniger junge Menschen das Spielen eines Instruments, insbesondere eines Akkordeons, zu Pandemie-Zeiten noch weniger als vorher. Dadurch fehle auch das Interesse an dem Beruf.
2021 hat der letzte Azubi seine Gesellenprüfung bei Hoppe gemacht. Seitdem ist er mit einer Mitarbeiterin, die gerade in Bayern die Meisterschule besucht, allein in der Werkstatt. Dabei könne er jede Hilfe gebrauchen, sagt er besorgt, Aufträge und Anfragen habe er reichlich. Denn neben seiner Werkstatt hat er vor drei Jahren einen erfolgreichen, mehrsprachigen Online-Shop aufgebaut, über den er neue und gebrauchte Akkordeons, Zubehör und Ersatzteile in ganz Europa verkauft. Außerdem bietet der Sauerländer in der hauseigenen Musikschule Unterricht für Kinder und Erwachsene an.
„Die Ausbildung zum Handzuginstrumentenmacher ist schon anspruchsvoll. Neben handwerklichem Geschick im Umgang mit verschiedenen Werkzeugen und Maschinen sind musikalische Vorkenntnisse, am besten im Bereich Akkordeon, optimale Voraussetzungen. Unsere Kunden kommen oft zu uns und sagen: ‚Es hört sich beim Spielen komisch an‘ und wir müssen uns dann mit dem Instrument genauer auseinandersetzen, um den Fehler zu finden“. Für diesen handwerklichen Beruf benötige man nicht nur seine Hände, sondern auch gute Augen und vor allem gute Ohren. Fürs Stimmen der Instrumente gäbe es zwar Geräte, aber man müsse trotzdem sein Gehör trainieren und sich Töne einprägen. Der Beruf wird sowohl im dualen System als auch als rein schulische Ausbildung an der Berufsschule in Thüringen gelehrt. Im Vordergrund steht bei der Lehre der Instrumentenbau.
„Ich habe noch gute Kontakte zur Industrie. Für den Blick über den Tellerrand schicke ich meine Lehrlinge für Praktika zur Firma Weltmeister nach Klingenthal.“ Die Weltmeister Akkordeon Manufaktur GmbH ist die letzte deutsche Akkordeon Manufaktur. Für diesen Beruf gäbe es sehr gute Perspektiven. Diejenigen, die die Instrumente reparieren können, würden immer weniger. Akkordeons seien in den heutigen Musikrichtungen, wie etwa Folk oder Shanties, sichtbarer als noch vor 20 Jahren. „Für den Beruf muss man die Liebe zur Musik und zum Handwerk mitbringen. Die ersten Jahre baut man sich einen Kundenstamm auf und irgendwann läuft’s. Dann hat man auch die Zeit, das Wissen an andere weiterzugeben.“ Er hoffe, dass sein achtjähriger Sohn irgendwann in seine Fußstapfen tritt. Derzeit lerne er Keyboard-Spielen und zeige sich durchaus talentiert.
Im Augenblick baut der Warsteiner seinen Betrieb um und aus. Er schafft mehr Fläche für seine Werkstatt, das Lager und für seine Sammlung von historischen Instrumenten. Damit möchte er für seine Kunden, die aus dem ganzen Ruhrgebiet und dem Großraum Kassel zu ihm nach Warstein kommen, eine Art „Kauferlebnis“ schaffen. Nach dem Umbau erweitert er sein Geschäft um den Bau und Verkauf von Concertinas, kleinen, handlichen Handzuginstrumenten, für die der Markt gerade wachse. „Ich möchte mich auf die Reparatur und den Verkauf von Akkordeons konzentrieren und den Online- Shop vergrößern. Ich verkaufe jetzt schon online so viele Instrumente wie in meinem Laden. Ab August sind wir im Betrieb zu dritt. Ein Mitarbeiter wird sich ausschließlich um den Online-Shop kümmern. Meine Mitarbeiterin und ich können uns dann endlich wieder komplett unserer Werkstatt widmen“, so Hoppe. „Es wäre schade, wenn der Instrumentenbau in Deutschland langsam verloren geht. Handzuginstrumentenmacher*in ist ein seltener, aber kein aussterbender Beruf.“
Kontakt
Jörg Hoppe
Tel.: 02902 51171