Sachverständiger Andreas Duhme unterstützt ehrenamtlich Flutopfer im Ahrtal

“Es lässt mich nicht mehr los, was ich dort gesehen habe”

© Duhme / HWK Dortmund

„Es war ein furchtbarer Anblick. In einigen Stadtteilen gab es keine Straßen mehr, Bahngleise wurden meterweit weggespült. Man sah den Gebäuden an, dass das Hochwasser teilweise bis zum ersten Stockwerk stand.“ Andreas Duhme erinnert sich gut. Er ist von der Handwerkskammer (HWK) Dortmund öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Maurer- und Betonbauerhandwerk. „Überall stapelten sich Berge von Sperrmüll, Bauschutt und Schrott. Es sah aus wie im Krieg.“ Die ersten Eindrücke, die der gelernte Maurermeister aus Warstein von seinem Besuch im Ahrtal mitgenommen hat, prägen ihn noch heute. Die vernichtende Hochwasserkatastrophe hatte Mitte Juli 2021 massive Schäden verursacht.

Sachverständiger Andreas Duhme
© HWK Dortmund

In seiner täglichen Arbeit als Sachverständiger erstellt er unter anderem bautechnische Gutachten, Sanierungskonzepte und macht Bauabnahmen. „Ich musste einfach was tun“, sagt Duhme über seine Gedanken nach den verheerenden Unwettern. Als ihn über die sozialen Medien ein Hilferuf des Abteilungsleiters der Stadtplanung aus Bad Neuenahr-Ahrweiler erreichte, überlegte der erfahrene Gutachter nicht lange. Rund sechs Wochen nach dem Hochwasser fuhr er auf eigene Kosten in die besonders stark betroffene Region Ahrtal, übernachtete in seinem Auto und half dort ehrenamtlich betroffenen Familien. Zusammen mit der Stadt organisierte Duhme in Bad Neuenahr Fragestunden für Menschen, deren Häuser zerstört oder nicht mehr bewohnbar waren. „Die Einwohner erfuhren über Mund-zu-Mund-Propaganda von der Fragestunde. Internet, Telefon, Handy, all‘ das funktionierte zu diesem Zeitpunkt gar nicht.“

Flutschäden Ahrtal
© Duhme / HWK Dortmund

Fachliche Expertise und ein offenes Ohr

Nach und nach besuchte er Familien und begutachtete stundenlang die Schäden der Häuser, hörte den Menschen zu, beantwortete ihre Fragen und fand tröstende Worte für die Verzweifelten, die alles verloren hatten. Der Experte schrieb für vier Familien Gutachten, die Voraussetzung für den 40-seitigen Antrag auf Wiederaufbauhilfe sind. Die Betroffenen sind dem 62-Jährigen dankbar. Nicht nur für seine fachliche Expertise, sondern auch für das Gehör, das er ihnen schenkte. „Viele sind körperlich und nervlich am Ende, fühlen sich allein gelassen. Bisher, ein halbes Jahr nach dem Hochwasser, ist nach meiner Schätzung nur ein geringer Prozentsatz der gestellten Anträge bewilligt und ausgezahlt worden.“

Viele haben mit freiwilligen Helfern in den Hochwassergebieten aufgeräumt und in Eigenleistung erste Arbeiten in den Häusern erledigt. „Die Feuchtigkeit muss aus den Gebäuden raus“, weiß Duhme. „Staatliche Hilfen gibt es nur für Kosten, die für den Wiederaufbau entstehen und wofür Rechnungen vorliegen. Abrissarbeiten, die ehrenamtlich oder in Eigenleistung erbracht wurden, oder Arbeitszeiten, um den feuchten Putz von der Wand zu holen, werden nicht entschädigt.“

Über 8.000 Gebäude beschädigt

Das Ausmaß der Katastrophe ist kaum zu beziffern. Die Ahr ist ein ca. 85 km langer Nebenfluss des Rheins, an dessen Ufer schätzungsweise 8.000 Gebäude durch das Hochwasser Schaden genommen haben. Andreas Duhme geht davon aus, dass 60 bis 70 Prozent davon nicht gegen Elementarschäden, also solche, die durch das Wirken der Natur verursacht werden, versichert waren. Der Sachverständige beziffert die Schäden pro Haus im Durchschnitt auf 100.000 bis 150.000 Euro.

Teilweise fehle immer noch eine funktionierende Infrastruktur, Kanalisation oder Heizung. Auch heute noch sei in Bad Neuenahr täglich die Suppenküche geöffnet, damit die Betroffenen wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit bekommen. Zu einigen Familien hat Duhme noch regelmäßigen Kontakt, sogar Freundschaften haben sich entwickelt. „Es lässt mich nicht mehr los, was ich dort gesehen habe. Ich muss wieder dorthin.“ Deshalb fuhr er Mitte Februar wieder ins Ahrtal. Es war ganz sicher nicht das letzte Mal.

Hintergrund

Seit Sommer 2021 gibt es in NRW eine Arbeitsgruppe, die aus Vertretern verschiedener Kammern, der NRW.Bank, des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen besteht. Sie beraten darüber, wie sie schnell, unkompliziert und möglichst wenig bürokratisch Unterstützung leisten können. Als die finanzielle Aufbauhilfe seitens der Bundesregierung im September 2021 auf den Weg gebracht wurde, hat die Handwerkskammer Dortmund alle von ihr bestellten Sachverständigten gebeten, die von der Flutkatastrophe schwer getroffenen Personen und Betriebe zu unterstützen. Henrik Himpe, Stv. Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dortmund, gehört der Arbeitsgruppe an: „Mit der Expertise und dem Engagement, insbesondere unserer Sachverständigen der Bau- und Ausbaugewerke als objektive Fachleute, konnten wir in zahlreichen Fällen eine wichtige Hilfe für die Betroffenen bei der Beantragung von staatlichen Leistungen anbieten.“

Unterstützung erhalten Mitgliedsbetriebe durch die Unternehmensberatung der Handwerkskammer Dortmund.

Weitere Infos: www.hwk-do.de