Bochum. „Wenn man etwas nicht gerne macht, dann fällt es einem auch schwer!“, sagt Heike van gen Hassend, erfolgreiche Konditormeisterin und Inhaberin der ältesten Bäckerei Bochums. Sie entschied sich deshalb schon in ihrer Jugend ganz klar dazu, ihrem Herzen zu folgen. Und das schlug fürs Handwerk.
Die Inspiration für ihren späteren Berufswunsch lieferte van gen Hassends Mutter, die zuhause gerne und oft gebacken hat. „Ich wollte nicht nur ihre, sondern auch die Torten aus den Backbüchern nachbacken.“ Dabei ging es ihr aber nicht nur um ein gutes Ergebnis, sie wollte Perfektion, so wie auf den Fotos ihrer Bücher. „Es ist nie so geworden. Also war für mich klar: Ich will das professionell lernen“, sagt sie. Nachdem es nicht auf Anhieb mit der Konditorlehre klappte, führte ihr Weg zunächst über die höhere Handelsschule. Das Talent der jungen Schwerterin blieb auch den Hauswirtschafts-Lehrkräften nicht lange verborgen. Über den Kontakt einer Lehrerin begann sie 1983 endlich ihre langersehnte Ausbildung. Bereits im ersten Lehrjahr wuchs der Wunsch, mal ein eigenes Café zu besitzen.
Nach drei Jahren war van gen Hassend offiziell Konditorin. Darauf ausruhen wollte sie sich aber nicht. 1986 fing sie in der Patisserie des damals aufstrebenden Dortmunder Restaurants „La Table“ an. Da sie noch ein Neuling auf dem Gebiet war, dachte sie nicht selten ans Aufgeben. „Ich habe nach der Arbeit oft zuhause geübt, so dass meine Mutter von den ganzen Süßwaren sieben Kilo zunahm.“ erinnert sie sich. Ihr Ehrgeiz sollte sich lohnen, denn mit ihrer Arbeit half sie dabei, den ersten Michelin-Stern des Restaurants zu erarbeiten.
Eine neue Herausforderung musste danach her und so packte sie ihre Sachen und ging auf die Walz. Ganz alleine. Eigentlich wollte sie bis in die Schweiz, ihre Stationen führten sie dann aber über München, Oberammergau und schließlich nach Emmerich. In dieser Zeit lernte sie auch einen Mann kennen und wurde schwanger. Als ihr Sohn zur Welt kam sah sie sich mit allerhand Hindernissen konfrontiert. „Zum einen war ich nicht verheiratet, das kam schon mal nicht so gut zu Hause an. Zum anderen wollte ich sowohl für meinen Sohn da sein als auch meinem Beruf weiter nachgehen.“ Zwei Jahre später kam dann die Trennung von ihrem damaligen Partner. Alleinerziehend begab sie sich auf Wohnungssuche und musste sich mit Jobs über Wasser halten, in denen ihr keine große Wertschätzung entgegengebracht wurde.
Der Wendepunkt
Für sie war das ein Wendepunkt. So wollte sie nicht weitermachen und vor allem wollte sie nicht, dass so mit Mitarbeitern umgegangen wird. Neben der Arbeit besuchte sie schließlich die Meisterschule. Zweieinhalb Jahre lang, zwei Abende die Woche. Ihr Ziel: Danach einen eigenen Betrieb zu übernehmen. Allerdings wurden ihr bei der Finanzierung stets Steine in den Weg gelegt: „Als Frau habe ich mich benachteiligt gefühlt. Mir wurden Fragen gestellt, die hätte man einem Mann nicht genauso gestellt.“ Mittlerweile war sie auch im Prüfungsausschuss der Meisterschule tätig und lernte über einen Kollegen den Inhaber der Bochumer Bäckerei und Konditorei Lingemann kennen. Dort stieg sie 2003 zunächst als Assistentin der Geschäftsführung ein.
Obwohl der Betrieb verkauft werden sollte, blieb ein konkretes Angebot an van gen Hassend aus. Da ihr Chef der Meinung war der Betrieb könne nur von zwei Personen geführt werden, suchte sie das Gespräch. „Ich habe ganz klar gesagt, dass ich mir eine Doppelführung nicht vorstellen könne. Ich wollte meinen eigenen Ideen folgen.“ Das Gespräch zeigte Wirkung, denn nur kurze Zeit später wurde ihr der Betrieb tatsächlich angeboten. 2004 holte sie sich Hilfe bei der Unternehmensberatung der Handwerkskammer Dortmund und schon ein Jahr später lief die Bäckerei Lingemann unter ihr als Geschäftsführerin.
Auf eigenen Beinen
Von nun an sollte alles anders werden: Ein angenehmes Betriebsklima, Team-Zusammenhalt und gute Arbeitsbedingungen. Die Ambitionen waren groß. Die Umsetzung jedoch nicht so leicht. Ältere Mitarbeiter waren mit den Neustart-Plänen der neuen Chefin nicht einverstanden und verließen den Betrieb. In kleinerer Besetzung wuchs über die Jahre ein neues Team zusammen. Konditormeisterin Jessie hielt van gen Hassend von Beginn an die Treue. „Sie ist mindestens genauso voller Tatendrang wie ich. Das hat gepasst“, sagt die 56-Jährige. Auch als Jessie schwanger wurde, war klar, dass beide Frauen weiter zusammenarbeiten wollen. Als Jessies Tochter Finja zur Welt kam, kümmerte sich ihr Mann um das Baby, während sie selbst in den frühen Morgenstunden arbeitete. Ein Schicksalsschlag änderte plötzlich alles. Jessies Mann verstarb nur ein Jahr nach der Geburt der Tochter an einem Hirntumor. Selbst jetzt konnte sich Jessie nicht vorstellen, ihre Arbeit aufzugeben. Gemeinsam kamen beide auf eine Idee. Da die Betreuung von Jessies kleiner Tochter durch die Großeltern nicht immer gewährleistet werden konnte, richtete van gen Hassend ein eigenes Kinderzimmer in den Räumlichkeiten der Konditorei ein. Bis heute, sieben Jahre später, kommen Jessie und Finja an den Wochenenden gemeinsam in den Betrieb, essen zusammen zu Abend und gehen ins Bett. In der Nacht beginnt Jessie dann in der Backstube ihre Arbeit, während ihre Tochter nur wenige Meter von ihr entfernt weiterschläft.
Dass sich ihre Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen, war für Heike van gen Hassend immer das Wichtigste. Neun Jahre lang machte sie nach der Betriebsübernahme keinen Urlaub mehr. Trotzdem war die Stimmung im mittlerweile zum Café erweiterten Laden nicht so, wie sie es sich gewünscht hatte. Schließlich holte sie sich Hilfe durch ein Mentoring für Unternehmerinnen. „Bei meiner Mentorin konnte ich viel lernen und vor allem sofort umsetzen.“ Sie lernte, ihre Prioritäten anders zu setzen und neue Wege zu finden. Van gen Hassend schaffte es, einen ganz neuen Teamgeist aufleben zu lassen und sich selbst als Unternehmerin aber auch als Frau dahinter neue Stärke zu geben. Der Erfolg gibt ihr Recht. Ihre Torten sind mittlerweile auch über Bochums Stadtgrenzen hinaus so bekannt, dass sie diese an Kunden in ganz Deutschland verschickt. „Torte on Tour“, nennt sie ihr Konzept.
Was die Zukunft bringt
Im Laufe der nächsten zehn Jahren kann sie sich vorstellen, sich komplett aus dem operativen Geschäft herauszuziehen und nur noch in leitender und wie sie sagt „motivierender“ Funktion tätig zu sein. Und einen Traum gäbe es auch noch: Ein eigenes Backbuch, voll mit professionellen Bildern von ihren eigenen Kreationen und den Geschichten dahinter, davon hat sie nämlich einige sammeln können.