Kammerbezirk. Das Justizministerium NRW und der Westdeutscher Handwerkskammertag (WHKT) haben unter Beteiligung der nordrhein-westfälischen Handwerkskammern und der Justizvollzugsanstalten Bochum-Langendreer – Berufsförderungsstätte -und Heinsberg diese Initiative „Handwerk im Hafthaus“ gestartet, um Haftentlassenen einen besseren Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Vollzugsanstalten bieten ihren Insassen eine breite Palette an beruflichen Ausbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten. Dazu verfügen die Anstalten in ihren Bildungseinrichtungen über sehr gut ausgestattete Werkstätten und entsprechend qualifiziertes Personal.
Anfang Mai fanden zwei Werkstatttage in der JVA Bochum-Langendreer statt. 14 Handwerksbetriebe aus den Bereichen Bau, Metallbau und Elektro haben die Möglichkeit genutzt, sich über die Berufsbildungsangeboten sowie über die Inhaftierten in der JVA zu informieren. „Wir haben von den Betrieben ausnahmslos positives Feedback zu den Werkstatttagen erhalten. Die Betriebsinhaber waren alle sehr offen, wollten sich ein Bild von den Angeboten und natürlich auch von den Inhaftierten machen“, so WHKT-Projektleiter Peter Dohmen. „Es sind viele Gespräche geführt worden, einige Insassen haben mittlerweile sogar schon Angebote für eine Anstellung nach ihrer Entlassung bekommen.“
Marc Giering ist von Beruf Polier, Tiefbaufacharbeiter und seit 2019 Vizepräsident der Arbeitnehmerseite bei der Handwerkskammer Dortmund. Der 49-Jährige berichtet über das Projekt „Handwerk im Hafthaus“:
Was bedeutet das Projekt für die Menschen, die eine Haftzeit verbüßen müssen? Welche Chancen bieten sich dadurch für die Gefangenen?
Menschen, die eine Haftzeit verbüßt haben, stehen nach ihrer Entlassung oft vor zahlreichen Hürden und müssen sich auch mit Vorurteilen auseinandersetzen. Viele Gefangene nutzen die Haftzeit dazu, ihre sozialen Kompetenzen zu stärken und berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten zu erwerben. Aufgrund ihrer Vorgeschichte finden sie jedoch häufig keinen Zugang zu Betrieben. Mit der Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme verbringen die Inhaftierten nicht nur ihre Haftzeit sinnvoll, sondern sie können selbst dazu beitragen, nach der Entlassung nicht wieder rückfällig zu werden. Nicht selten beobachten die Vollzugsanstalten bei Gefangenen, die diese Angebote in Anspruch nehmen, eine positive Persönlichkeitsentwicklung während der Haftzeit. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient.
In welchen Berufen gibt es Qualifizierungsangebote? Und welche Voraussetzungen müssen die Inhaftierten mitbringen?
Zu den Qualifizierungsangeboten der Berufsförderungsstätte in Bochum zählen u.a. die Berufsausbildungen zum/zur Maurer/in, Hochbaufacharbeiter/in, Maler/in und Lackierer/in, Elektroniker/in für Betriebstechnik, Industriemechaniker/in und Fachkraft für Metalltechnik, ferner bestehen in der DVS zertifizierten Kursstätte Qualifizierungsmöglichkeiten im Fachbereich Schweißen. Dazu werden eine ganze Reihe berufsbezogener Grundlagen vermittelt und Umschulungen angeboten, zum Beispiel zum Industriemechaniker oder Maurer. Bereits während der Haftzeit können Inhaftierte Qualifizierungen in unterschiedlichen Berufen absolvieren, die ihren persönlichen beruflichen Neigungen entsprechen. So können sie sich bereits während ihrer Haftzeit ein umfassendes Bild des gewünschten Berufs verschaffen und feststellen, ob dieser mit ihren persönlichen Interessen im Einklang steht.
In wie fern unterscheiden sich die Inhalte der Qualifizierungsangebote von denen einer regulären außerbetrieblichen Ausbildung?
Die Initiative „Handwerk im Hafthaus“ schafft keine eigenen Qualifizierungsangebote. Seit vielen Jahren werden die Qualifizierungsmaßnahmen in den Vollzugsanstalten unter anderem in Abstimmung mit den Handwerkskammern durchgeführt. Sie sind gleichwertig mit den Ausbildungsteilen einer außerbetrieblichen Ausbildung und finden somit auf hohem Niveau statt. In der Regel beträgt die Haftzeit, die Inhaftierte in JVAs verbringen, durchschnittlich weniger als 12 Monate und reicht daher nicht aus, um eine komplette Ausbildung von drei Jahren zu durchlaufen. Die Vollzugsanstalten Bochum-Langendreer und Heinsberg vermitteln berufsbezogene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse deshalb auch in der Form von Teilqualifizierungen anhand von Qualifizierungsbausteinen an. Diese können später im Rahmen einer regulären Ausbildung angerechnet werden und damit zu einer Verkürzung der Berufsausbildung führen.
Wie begegnen Sie Vorbehalten von Betrieben, die überlegen, ehemalige Inhaftierte einzustellen?
Viele ehemalige Inhaftierte wünschen sich, nach der Haft ein normales Leben führen zu können. Sie setzen auf eine gute Ausbildung, hoffen schnell Arbeit zu finden und sind deshalb häufig hoch motiviert. Daher ist es wichtig, dass Betriebe aufgeschlossen und willens sind, einen Haftentlassenen zu beschäftigen. Die Ausbildungsberater der HWK Dortmund unterstützen im Rahmen der Initiative Haftentlassene bei der anschließenden Vermittlung in Betriebe im Kammerbezirk. Sie helfen auch bei der Anerkennung der erworbenen (Teil-)Qualifikationen und beraten Betriebe, die ehemalige Straftäter einstellen möchten.
Auch wenn vielleicht das Vorhaben, ehemaligen Inhaftierten eine zweite Chance zu geben, zunächst einige Herausforderungen mit sich bringt, zeigen jedoch die Erfahrungen, dass die meisten Betriebe in ehemaligen Inhaftierten hochmotivierte und leistungsfähige Beschäftigte gefunden haben.
Betriebe, die überlegen, einen ehemaligen Inhaftierten einzustellen, können sich nach vorheriger Anmeldung direkt vor Ort ein Bild von den Ausbildungsmöglichkeiten in der Berufsförderungsstätte machen sowie mit Inhaftierten und Ausbildungspersonal ins Gespräch kommen.
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HWK Dortmund
Ausbildungsberatung