Andreas Grund ist sein eigener Chef. Vor zwei Jahren hat der Kfz-Meister den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und erfolgreich das Unternehmen Reifen und Autoservice Seyfert in Bochum übernommen.
Fast 100 Jahre und drei Generationen lang lag der Betrieb in Familienhand. 1929 wurde er von Herbert Seyfert als „Dampfvulkanisierungsanstalt“ mit dem Schwerpunkt der Reparatur von Kautschukreifen gegründet. Handwerksmeister Seyfert übergab das Unternehmen 1979 an Tochter Erika und Schwiegersohn Hans Rose, die wiederum 1993 an ihren Sohn Dietmar und dessen Frau Gudrun. Seit April 2021 steht der 44-jährige Andreas Grund an der Spitze des Traditionsbetriebs mit zehn Mitarbeitern, dessen Hauptgeschäft heute Kfz-Services und natürlich alles rund um Reifen ist. Tausende Reifenwechsel sind an der Hattinger Straße 174 bereits über die Bühne gegangen – auch bei LKWs, Motorrädern, seltenen Oldtimern oder Modellen wie Lamborghini und Ferrari.
Für die Übernahme hat sich der sympathische Kfz-Meister und ehemalige Leiter der PKW-Abteilung auch deshalb entschieden, weil er sich seit über 20 Jahren in dem Betrieb sehr wohlfühlt. „Wir haben ein tolles Team, außerdem kenne ich die Werkstatt, die Arbeitsabläufe und Strukturen und konnte einen großen Stammkundenkreis gleich mit übernehmen.“
Zum Ex-Chef hatte der gebürtige Chemnitzer immer ein gutes Verhältnis, so dass auch die „freundschaftliche Übernahme“ gut funktioniert habe. Begleitet wurde der über einjährige Prozess vom Team der Unternehmensberatung der Handwerkskammer (HWK) Dortmund. Andreas Grund wurde zum Beispiel mit Blick auf Finanzierung und Fördermittel beraten und auf Bankgespräche vorbereitet: „Ohne diese Hilfe hätte es mit Sicherheit nicht so gut geklappt“, so der gelernte Zweirad- und Kfz-Mechaniker, dessen Familie beim Schritt in die Selbstständigkeit immer hinter ihm stand. Auch für Übergeber Dietmar Rose gab es Unterstützung von der HWK, unter anderem bei der Bewertung des Unternehmens sowie bei rechtlichen und steuerrechtlichen Fragen.
Übergeber sensibilisieren. Nachfolger gewinnen.
Kiara Baethge ist Nachfolgelotsin bei der HWK Dortmund. Ihr Ziel ist es, Übergeber für eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema zu sensibilisieren, potentielle Nachfolger zu gewinnen, einen Nachfolgerpool aufzubauen und beide Gruppen in einem „Match“ zusammenzubringen. Übergebern gibt sie vor allem eins mit auf den Weg: „Setzen Sie sich rechtzeitig mit dem Thema auseinander, denn die Betriebsübergabe an die nächste Generation erfordert viel Zeit. Von der Suche nach dem richtigen Nachfolger bis zur tatsächlichen Übergabe vergehen nicht selten Jahre. Diese Zeitspanne wird häufig unterschätzt. Vor allem dann, wenn es keinen Nachfolger im Betrieb oder in der eigenen Familie gibt. Mit ungefähr 55 Jahren sollten Sie mit den Vorbereitungen starten.“
Auch Handwerkern, die mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen, rät sie: „Bereiten auch Sie sich gut auf die Übernahme vor. Sie können zum Beispiel schon während des Besuchs der Meisterschule in einem Unternehmen mitarbeiten, das mittelfristig zur Übernahme ansteht.“
So wie Andreas Grund, der Reifen Seyfert von der Pike auf kennt und das Unternehmen jetzt sehr erfolgreich weiterführt, während Dietmar Rose und seine Frau Gudrun ihren wohlverdienten Ruhestand genießen. Grund hat sich inzwischen moderner für die Zukunft aufgestellt und einige Veränderungen vorgenommen. Dazu zählen nicht nur ein neuer Außenanstrich, neue Beleuchtung und Dienstkleidung mit Firmenlogo. Auch die Kfz-Services wurden weiter ausgebaut. In einer vorher ungenutzten Halle gibt es jetzt zwei neue Hebebühnen, eine davon speziell für Achsvermessungen auch an größeren Fahrzeugen wie Wohnmobilen oder Werkstattwagen.
Besonders am Herzen liegt es Andreas Grund, den Teamgeist im Unternehmen weiter zu fördern und jungen Menschen die Chance auf eine Ausbildung zu geben. Seit August 2022 bildet der Kfz-Meister aus und hofft, in diesem Sommer noch einen weiteren Lehrling einstellen zu können. Allen, die wie er ihr eigener Chef werden möchten, gibt er den Rat: „Bereite dich gut vor und nimm Kontakt zur Handwerkskammer auf, denn die beraten dich, stehen dir bei, geben dir Tipps und stellen wertvolle Kontakte her. Das war mir eine große Hilfe und hat mir den Schritt in die Selbstständigkeit wesentlich einfacher gemacht.“
Nachfolgecenter
Für potentielle Übernehmer stehen die Chancen gerade übrigens richtig gut: In NRW suchen zahlreiche Handwerksbetriebe eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Ob Businessplan, Finanzierungskonzept, Betriebsbewertung oder steuerrechtliche Fragen: Handwerker*innen erhalten zu ihrer Betriebsübernahme oder -übergabe umfassende Beratung vom Team der HWK Dortmund.
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