Dieselskandal, Fahrverbot für Diesel, blaue Plakette, Dieselgipfel - das sind nur einige Schlagworte der letzten Zeit. Was steckt hinter den Berichten in den Medien?

Dieselfahrverbote

Dieselfahrverbote
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Was ist der Anlass?

Um die Luftqualität in Europa zu verbessern, wurde 2008 die Europäische Luftqualitätsrichtlinie mit verschärften Emissionsgrenzwerten erlassen und mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) in deutsches Recht überführt. Grund für die Verschärfung ist, dass nach Schätzungen der europäischen Umweltagentur pro Jahr allein in Deutschland bis zu 40.000 Menschen an gesundheitsschädlichen Emissionen erkranken und sterben. Zur Durchsetzung der Richtlinie wurden in der 39.BImSchV Grenzwerte und Alarmschwellen für die Konzentration von bestimmten Schadstoffen in der Luft festgelegt. Für Stickstoffdioxide (NO2) liegt der Grenzwert z. B. bei 40 µg/m3 Luft. Bei Überschreitung dieser Grenzwerte werden Maßnahmen erforderlich, mit denen die Luftschadstoff- Belastung gesenkt werden soll.

Der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2), der bereits seit dem 01.01.2010 gilt, wird in vielen Städten heute noch überschritten. Deshalb mussten deutschlandweit in vielen Städten Luftreinhaltepläne erarbeitet werden. Sie enthalten u. a. Maßnahmen zur Absenkung der Emissionsbelastung.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

Die Deutsche Umwelthilfe hat mehrere Kommunen auf schnellstmögliche Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte verklagt. Das wirksamste Mittel sieht sie in Dieselfahrverboten.

Gegen die Urteile der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart wurde Sprungrevision eingelegt. Der Urteilsspruch des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig zum Düsseldorfer und Stuttgarter Urteil ist am 27.02.2018 erfolgt. Danach sind Diesel-Fahrverbote dann zu verhängen, wenn sich bei der Prüfung von Minderungsmaßnahmen im Rahmen der Aufstellung eines Luftreinhalteplans zeigt, dass diese die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte sind. Dabei ist jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zu Düsseldorf

Aufgrund der fortgesetzten Grenzwertüberschreitungen hat die EU-Kommission am 17.05.2018 ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und weitere EU-Staaten eingeleitet. In Deutschland sind mehrere Gebiete betroffen, in denen zwischen 2010 und 2013 die Grenzwerte überschritten wurden. Nach Ansicht der EU-Kommission reichen die in diesen Gebieten ergriffenen Maßnahmen nicht aus.

Die Bundesregierung hat das Bundes-Immissionsschutzgesetz geändert. Danach sind Fahrverbote „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“ in der Regel erst bei einer Überschreitung von 50 µg/m3 Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresmittel vorzusehen. Die EU-Kommission, der die geplante Gesetzesänderung vorgelegt werden musste, hat kein Veto eingelegt. Sie hat aber gleichzeitig hervorgehoben, dass der Grenzwert von 40 µg/m3 unverändert weiter gelte.

Aktuell gibt es in NRW zwei Gerichtsurteile: Gemäß Urteil des OVG Münster vom 31.07.2019 ist der Luftreinhalteplan Aachen rechtswidrig. Fahrverbote für Euro 4- und Euro 5-Fahrzeuge sind aufzunehmen. Das Land NRW hat gegen das Urteil des OVG Münster Berufung einlegt. Auch der Luftreinhalteplan Köln ist gemäß Urteil des OVG Münster vom 12.09.2019 rechtswidrig. Streckenbezogene Fahrverbote für Euro 4- und Euro 5-Fahrzeuge auf 4 der 5 betroffenen Straßen sind zu prüfen und aufzunehmen – trotz gesunkener Belastungswerte. Das Land NRW wird nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung weitere rechtliche Schritte prüfen.

Warum stehen gerade Diesel-Fahrzeuge im Mittelpunkt der Diskussion?

Ander als bei der Verschärfung der Abgasnormen von Euro 5 zu Euro 6 angenommen, hat die Umweltbelastung durch verkehrsbedingte Stickoxide insbesondere in Großstädten nicht in erwartetem Umfang abgenommen. Während bei Feinstaubemissionen eine deutliche Reduktion erreicht werden konnte, hat die Einführung der Euro 6-Norm – bedingt durch die realitätsfernen EU-Messvorgaben und Ausnahmetatbeständen – nur bei einigen Fahrzeug-/Motoren-Typen zu Verbesserungen der Emissionswerte geführt. Darüber hinaus hat der Bestand an Diesel-Pkw und leichten Nutzfahrzeugen in den letzten 15 Jahren zugenommen, ebenso die gefahrenen Kilometer pro Person. Erst mit der Einführung der Euro 6d Temp- bzw. der Euro 6d-Norm ist mit einer Verbesserung zu rechnen.

Die Diesel-Skandale haben diese Gesamtproblematik verschärft. Dabei handelt es sich um eine serienmäßig eingebaute softwaregesteuerte Umstellung der Abgasreinigung bei erkannter Testsituation. Weiterhin wurde ein Passus der EU-Vorgabe soweit ausgenutzt, dass die Abgasreinigung „zum Schutz des Motors“ in der überwiegenden Zeit abgeschaltet wird.

Was ist geplant, um die Diesel-Emissionen zu senken?

Auf dem ersten Diesel-Forum am 02.08.2017 in Berlin wurde u. a. als erster Schritt beschlossen, dass deutsche Autohersteller auf eigene Kosten bei Euro-5- und teilweise Euro-6-Dieselfahrzeugen die Emissionswerte durch eine geänderte Software reduzieren müssen. Nach ersten Schätzungen wird der erwartete Minderungseffekt an hochbelasteten Straßen noch nicht zur Einhaltung der Grenzwerte führen – auch wegen der hohen Hintergrundbelastung.

Deshalb wurden auch die Möglichkeiten einer Hardware-Nachrüstung diskutiert und geprüft. Seit 2019 können Betriebe bei der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen (BAV) Anträge zur Förderung der Hardware-Nachrüstung von Handwerker- und Lieferfahrzeugen ab 2,8 bis 7,5 Tonnen stellen.

Durch den Einbau eines SCR-Systems werden die Stickoxidemissionen von Dieselfahrzeugen deutlich gesenkt. Das Kraftfahrtbundesamt hat weiterhin die Betriebserlaubnis für erste Nachrüstsysteme für bestimmte Fahrzeuge der Marken BMW, Mercedes, Volvo und der VW-Gruppe erteilt. Sie sollen noch im 4. Quartal 2019 lieferbar sein.

Welche Fahrzeuge könnten von einem Diesel-Fahrverbot betroffen sein?

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig ergeben sich für Diesel-Fahrverbote in etwaigen Umweltzonen oder an hochbelasteten Straßenzügen folgende Optionen:

  • Ausschluss von Dieselfahrzeugen unterhalb der Euro 5/V Abgasnorm: kurzfristig, an hochbelasteten Straßenzügen oder in Umweltzonen möglich
  • Ausschluss von Dieselfahrzeugen unterhalb der Euro 6/VI Abgasnorm: kurzfristig, an hochbelasteten Straßenzügen; in Umweltzonen frühestens ab 01.09.2019

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit sind nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Ausnahmen vom Fahrverbot, z. B. für Handwerker, bestimmte Anwohnergruppen und Einzelpersonen zu prüfen.

Wo drohen in NRW Fahrverbote?

Fahrverbote drohen in allen Städten, in denen der Grenzwert kurzfristig nicht durch andere Maßnahmen eingehalten werden kann. Dies gilt insbesondere für die Städte, gegen die die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) ein Klageverfahren eingeleitet hat. Die Landesregierung lehnt Fahrverbote für NRW ab.

Das Land Nordrhein-Westfalen, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Mehrzahl der in NRW beklagten Städte haben sich vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster auf Vergleiche zur Umsetzung der Luftreinhaltepläne geeinigt. So konnten vorerst Diesel-Fahrverbote in den Städten, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düren, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Oberhausen, Paderborn und Wuppertal verhindert werden. 

Zuvor hatte es bereits Urteile des OVG Münster zu den Luftreinhalteplänen der Städte Aachen und Köln gegeben. Gegen die Urteile hat das Land Berufung eingelegt. Die Verfahren sind derzeit noch beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) anhängig. Gegen den am 01.02.2019 in Kraft getretenen Luftreinhalteplan Düsseldorf ist noch ein Klageverfahren der DUH beim OVG Münster anhängig.

Außerdem gibt es in einigen deutschen Städten außerhalb des Kammerbezirks zonale und streckenbezogene Fahrverbote. Dazu gehören die Städte Darmstadt, Frankfurt, Hamburg, Mainz und Stuttgart.

Welche Alternativen gibt es für Dieselfahrzeuge?

In bestimmten Nutzerprofilen ist der Einsatz von Nutzfahrzeugen mit alternativen Antriebstechniken (Elektro, Gas, Brennstoffzelle u. a.) sinnvoll. Für die meisten Einsatzbereiche handwerklicher Nutzfahrzeuge gibt es auf absehbare Zeit jedoch keine Alternative zum Dieselmotor.

Welche Position vertritt das Handwerk?

Gesundheitsschutz ist auch für das Handwerk von besonderer Bedeutung. Allerdings sind Handwerksbetriebe, deren Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden auf uneingeschränkte Mobilität angewiesen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten.

Handwerksbetriebe haben in den vergangenen Jahren im Zuge der Umweltzonenregelungen in die Erneuerung ihres Fuhrparks investiert und ihn im Vertrauen auf die Umweltverträglichkeit und die Einhaltung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte in weiten Teilen auf Euro 5 Standard gebracht.

Fahrverbote kämen einer Enteignung von Betriebsmitteln gleich und wären für viele Betriebe existenzbedrohend. Das Handwerk lehnt Fahrverbote grundsätzlich ab, da sie die Betriebe massiv belasten. Betriebe benötigen Planungs- und Investitionssicherheit. Das Handwerk fordert für die gewerblich genutzten Fahrzeuge einen Bestandsschutz im Rahmen der üblichen Nutzungsdauer.

Weitere Informationen

Nachrüstung von Dieselfahrzeugen

Hinweis zur Beratung

Diese Beratung wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW.